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„unter der Nachweisgrenze…“

Wenn man als Patient mit seinem behandelnden Arzt über seine Laborwerte oder die HIV-Therapie spricht, fällt spätestens nach wenigen Minuten der Begriff „unter der Nachweisgrenze“ oder „nicht nachweisbar“. Auch in Bezug auf die WHO-Forderung 90-90-90, bezieht sich der dritte 90er dieser Reihe auf 90% der Patienten, die in einem Land „unter der Nachweisgrenze“ sein sollen. Auch die Aussage, dass optimal behandelte Patienten nicht mehr infektiös sind (EKAF-Erklärung von 2008), heisst, dass sie „unter der Nachweisgrenze“ sein sollen. 

Aber was bedeutet der Begriff „unter der Nachweisgrenze“ eigentlich wirklich?

Als erste Frage stellt sich: welcher Laborwert ist eigentlich „unter der Nachweisgrenze“? 

Nun, bei HIV-infizierten Patienten wird regelmässig – meist alle 3 Monate – neben zahlreichen anderen wichtigen Laborwerten – die HIV-Viruskonzentration – auch Viruslast oder Viralload genannt – bestimmt. Diese kann in der Akutphase der HIV-Infektion extrem hoch sein. Im Regelfall sinkt sie nach Wochen oder Monaten deutlich ab, bleibt aber ohne HIV-Therapie immer messbar. Auf Grund der im Blut, in der Vaginaflüssigkeit und im Sperma vorhandenen HI-Viren ist der Patient bei Risikokontakten infektiös. Mit modernen HIV-Therapien können wir die Virusvermehrung so stark Blockieren, dass praktisch keine Viren mehr im Blut nachweisbar sind. Die einfachste Definition von „unter der Nachweisgrenze“ besteht also darin, dass die Menge der Viren im Blut mit gängigen Tests nicht nachgewiesen werden kann. Da kein Nachweisverfahren 100% perfekt ist, haben die verschiedenen Tests unterschiedliche Nachweisgrenzen. Als das Verfahren zur Messung der Viruskonzentration – das sogenannte PCR-Verfahren – 1995 auf den Markt kam, lag die Nachweisgrenze bei 10.000 HIV-Partikel – man spricht auch von Kopien oder copys – pro Milliliter Blut. Der Test weist übrigens eigentlich gar keine ganzen Viren, sondern nur das Erbmaterial der Viren in Form von RNA nach. Das Testverfahren wurde weiter verbessert und nach einiger Zeit konnte die Nachweisgrenze auf 500 Viruspartikel pro Milliliter Blut gesenkt werden. Inzwischen haben die gängigen Tests sogar Nachweisgrenzen von 20-50 Viruspartikel pro Milliliter Blut. In den beiden Labors, die unsere Virusbestimmungen durchführen liegt die Nachweisgrenze bei 20 und 30 Viruspartikel pro Milliliter Blut. Allerding sind die Tests in diesem niedrigen Bereich um die Nachweisgrenze nicht 100% exakt. Das bedeutet, dass ein Test zum Beispiel „21 Kopien/ml“ angibt, obwohl die tatsächliche Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt. Auch der umgekehrte Fall kann auftreten, dass zum Beispiel der Test „unter der Nachweisgrenze“ (kleiner 20 Kopien/ml) angibt, tatsächlich sind aber 25 Kopien/ml vorhanden. Moderne Test können auch das Ergebnis positiv kleiner Nachweisgrenze liefern (POS<NWG). Dies bedeutet, dass diese niedrigen Viruskonzentrationen zwar nachgewiesen, aber nicht quantifiziert werden können.

Glücklicherweise hat sich gezeigt, dass all diese Ergebnisse und minimalen Abweichungen in der Praxis weder für den Patienten noch für die Infektiosität von Bedeutung sind.

Deshalb hat beispielsweise die WHO (Welt-Gesundheits-Organisation) die Grenze für „nicht nachweisbar“ für alle Studien, bei denen es um die Übertragung von HIV geht, bei 200 Kopien/ml Blut festgelegt – völlig unabhängig davon, ob der verwendete Test 20, 30, 40 oder 50 Kopien/ml als Nachweisgrenze hat. Das man dies mit gutem Gewissen tun konnte, liegt daran, dass praktisch noch nie eine Übertagung von HIV bei einer Viruslast unter 1000 Kopien/ml beobachtet wurde. Es wurde also ein Sicherheitsfaktor von 5 einkalkuliert. Mit dem Wert von unter 200 Kopien/ml als Marker für die Nicht-Infektiosität wurden alle grossen Studien zu diesem Thema weltweit durchgeführt. Dabei wurde keine einzige Infektion beobachtet, wenn der Partner oder die Partnerin eine Viruslat unter 200 Kopien/ml aufwiesen. 

Auch für den Therapieerfolg spielt es wohl keine grosse Rolle, wie hoch die Viruslast ist, solange sie unter 200 Kopien/ml ist. Auch bei einer Viruslast zwischen 200 und 1000 Kopien/ml sind die unmittelbaren gesundheitlichen Folgen nicht dramatisch. Trotzdem reagieren die Ärzte auf die geringe Erhöhung der Viruslast rasch in Form einer neuerlichen Kontrollblutabnahme. Denn immer wenn sich Viren unter einer laufenden Therapie vermehren könnte es zu einem Wirkungsverlust in Form einer Resistenzentstehung kommen. Deshalb ist man therapeutisch nur auf der sicheren Seite, wenn die Viruslast dauerhaft „unter der Nachweisgrenze“ ist.

Während einer langjährigen HIV-Therapie kann es aber gelegentlich vorkommen, dass die Viruslast etwas über der Nachweisgrenze (je nach Definition bis zu 1000 Kopien/ml) liegt. Bei einem nur geringen und vor allem nur vorübergehenden Ansteigen spricht man von einem „Blip“. Ein Blip kann auf einen Laborfehler oder eine Laborungenauigkeit zurückzuführen sein, es kann aber auch sein, dass eine Reservoir des Virus aktiviert wurde und daher einige Viren im Blut vorübergehend nachweisbar sind.